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Die Magie des Schönen

- Wie wir Zara ihre Fehler verzeihen. Silberner Schriftzug. Weiße Wände. Brillantes Licht. Ein blumiger Duft liegt in der Luft. Reih an reih stehen die neuesten Kreationen von den internationalen Laufstegen: Paris. Berlin. New York. Spitze. Satin. Tüll. 

Photo by Highlight ID on Unsplash

Nein, wir befinden uns nicht in einem Luxuskaufhaus. Sondern in einem Geschäft des spanischen Modekonzerns Zara. Es gehört aktuell zu den erfolgreichsten Modemarken. 2019 hat sie einen Umsatz von knapp 20 Milliarden Euro gemacht.  H&M ist schon lange nicht mehr die Topadresse. Heute gibt Zara den Ton an.  

Die Modeindustrie ist schnelllebig. Zara ist noch schneller. Bis zu 24 Kollektionen bringt Zara im Jahr hinaus. Immer das Neuste. Immer schöner als zuvor. Das verändert das Kaufverhalten. Wir kaufen eher ein Teil, was wir eigentlich nicht brauchen. Was weg ist, ist weg. Das zeigt sich besonders am Feiertag der Shopaholics: den Black Friday. Schon vor der Ladenöffnung gibt es Menschenschlangen vor den Türen. Im Laden sieht es dann nicht leerer aus. Menschen, die Kleidungsberge mitschleifen, die größer sind als sie selber. Auf alles gibt es natürlich 40 Prozent Rabatt.

Aber ihr Erfolgsgeheimnis liegt woanders: Sie schauen sich an, was die Luxusmarken auf den Laufsteg bringen. Die Trends werden kopiert und in Rekordzeit umgesetzt. So sind die Kollektionen in nur zwei Wochen in den eigenen Läden. Und das alles zu günstigen Preisen. 

Wie das funktioniert?

Ganz einfach. Zara lässt in Billiglohnländern produzieren. Indien, Bangladesch, Kambodscha. In Bangladesch verdient eine Näherin gerade mal 60 Euro im Monat. Nicht gerade fair. Das Ganze passiert hinter der Aussage „Made in Europe“. Ja, es stimmt, dass Zara auch in Spanien, Portugal, Marokko und der Türkei produziert. Aber halt nicht nur. Und klar ist auch, dass „Made in Europe“ kein Synonym für „Fair produziert“ ist.     

Doch das interessiert viele nicht. Zaras Konzept kommt gut an. Bei Alt und Jung. Selbst Spaniens Königin Letizia trägt Zara. Aber auch Marken wie Esprit nehmen sich die spanische Konkurrenz zum Vorbild. Doch das Geschäftsmodell hat auch viele Fehler. Einer davon ist die Überproduktion. Denn obwohl viele Kollektionen verkauft werden, gibt es einen auch sehr großen Teil, der nicht verkauft wird. Das liegt daran, dass natürlich alle zwei Wochen das Alte raus muss, damit es Platz gibt für Neues. Das führt zu dem Ergebnis, dass Zara überfüllte Altkleidercontainer hat. Das wird dann im besten Fall weiterverkauft an z. B. Tkmaxx oder Percentil. Das ist wieder mit viel Transportaufwand verbunden. Alles was dann übrig bleibt kommt in die Tonne. 

Die Tricks mit dem Greenwashing

Das passiert alles. Und dass, obwohl die Nachhaltigkeit und der Klimawandel Megatrends sind. Das Geschäftsmodell könnte deshalb zum Problem werden. Das weiß auch Zara. Aus diesem Grund betreiben sie massives Greenwashing. Beim Greenwashing werden einzelne Kampagnen oder PR-Maßnahmen benutzt, um dem Unternehmen ein nachhaltigeres und „grüneres“ Image zu verleihen. Dabei handelt es sich aber um eine Verbrauchertäuschung. Das tatsächliche Image sieht oft ganz anders aus.

Wie steht es da denn bei Zara? 

Zara hat ein eigenes, nachhaltiges Siegel: „Join Life“. Es zeichnet jedes Jahr ausgewählte Kollektionen aus. Wie sollte es auch anders sein. Andere Siegel von unparteiischen Organisationen oder Prüfung durch solche findet man auf der Website nicht. Auch ist die spanische Marke nicht sehr transparent bei ihren Nachhaltigkeitsstrategien. Was haben sie wirklich umgesetzt?  Das liegt auch daran, dass es nur einen Code of Conduct von Inditex gibt. Der gilt dann für alle Tochtermarken. Einen eigenen und individuellen hat Zara nicht.

Photo by Andrej Lišakov on Unsplash

Dafür hat Zara aber neue Etiketten, die Werbung machen für „JoinLife, „Care for Fiber“ oder „Recycled“. Eigentlich nicht sehr nachhaltig diese verschwenderischen Etiketten. Aber dafür haben sie recycelte Versandboxen in wunderschönen Brauntönen. Alles perfekt abgestimmt mit dem weißen Seidenpapier. Schließlich verwendet Zara keine Plastikverpackungen mehr. Das aber die Kleidung von den indischen Fabrikarbeitern in weißes Seidenpapier eingewickelt wird, um es nach Europa zu verschicken, ist zu bezweifeln. 

Photo by Clem Onojeghuo on Unsplash

Zaras nachhaltige Ästhetik

Zara zeigt, dass man, um erfolgreich zu sein, einfach sehr gutes Greenwashing betreiben muss. Gut heißt in diesem Fall, dass man nicht wie McDonalds das ganze Corporate Design auf grün stellen muss, sondern dass man ganz subtil „ästhetisches Greenwashing“ betreibt. Das heißt, dass man alles so ausgeglichen anpasst, dass es gleichzeitig nachhaltig aussieht, aber auch dem ästhetischen Geschmack der Kundschaft entspricht. Wir lassen uns dann von einem schönen Äußeren täuschen. Ganz nach dem Motto: „Was schön aussieht, muss auch gut sein“. Dass es dann noch angeblich nachhaltig ist, ist für uns nur ein weiterer Pluspunkt. Es ist aber nicht das kaufentscheidende Argument. 

Das zeigt sich besonders daran, dass viele Leute wissen, dass Zara nicht sehr nachhaltig ist und trotzdem Kunden sind. Ich weiß das auch und trotzdem kann ich der Versuchung nicht immer widerstehen. „Wie kann dieses in Seidenpapier eingewickelte Kleid schlecht sein?“ Wir lassen uns von Schönheit blenden. 

Stimmt das wirklich?

Der Vergleich mit dem Textildiscounter Kik verdeutlicht noch mal dieses Phänomen. Kik muss sich seit Jahren gegen sein schlechtes Image wehren. Und ja, das schlechte Image hat er nicht umsonst. Immer wieder gab es Berichte über die schlechten Zustände in ihren Fabriken. Verstärkt wird es noch dadurch, dass bei jeder umweltbewussten Person die Alarmglocken schrillen, wenn sie von T-Shirts hören, die nur einen Euro kosten. 

Jedoch ist Kik sehr bemüht, immer nachhaltiger und sozialer zu werden. Das Ganze findet sehr transparent statt. Dazu sind sie auch ein Mitglied der „Bündnis für nachhaltige Textilien“ und ein Großteil ihres Baumwoll-Sortiments unterliegt dem STANDARD 100 by OEKO-TEX®. Dieses Nachhaltigkeitssiegel prüft alle Bestandteile eines Artikels auf mögliche Schadstoffe. Wenn ein Kleidungsstück unbedenklich für die Gesundheit ist, bekommt es dann das  STANDARD 100 by OEKO-TEX  Siegel. Damit hat Kik in Puncto Nachhaltigkeit Zara schon einiges voraus. 

 

Trotzdem verzichten wir alle gerne freiwillig darauf bei Kik einzukaufen. „Es ist ja umweltschädlich und nicht fair produziert“. Doch der wahre Grund, warum wir nicht beim Billigdiscounter einkaufen, liegt woanders. Kik hat keine schönen Laden, keine ansprechenden Werbespots und auch keine T-Shirts, die in weißes Seidenpapier eingewickelt werden. Kik ist einfach nicht so stilvoll wie Zara. Kik Mode sieht aus wie Fast-Fashion. Zara verzeihen wir aber seine Fehler, den bei den bösen Machenschaften entstehen ja wenigstens schöne Kleidungsstücke. Das ist die hässliche Wahrheit. Wir möchten auf Schönes nicht verzichten. Lieber lassen wir uns täuschen. Das zeigt: Gut ausgeführtes Greenwashing funktioniert besser als wirklich nachhaltig zu handeln. Die Frage ist nur wie lange noch. 

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